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Schwäbisches Hanami in Hölderlins Landschaft

Durch Streuobstwiesen, lichte Wälder und Felder verläuft der Rundwanderweg „Hölderlins Landschaft“ bei Nürtingen. Hier blühen neben Kirsch- auch Äpfel-, Birnen-, Pflaumenbäume und laden zum Staunen und Betrachten ein.

Wer früh am Morgen am Stadtmuseum in Nürtingen startet, kann sich fast sicher sein, dass kaum eine Menschenseele den rund 10 Kilometer langen Weg kreuzt. Die Sonne hat es gerade so über die Hügel der Schwäbischen Alb geschafft. Auch die Neckarbrücke liegt noch ziemlich verlassen da, weiße Fahnen flattern im sanften Wind. In der Stadt am Neckar hat Johann Christian Friedrich Hölderlin 1801 sein Gedicht ‚Der Neckar‘ geschrieben: „In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf zum Leben, deine Wellen umspielen mich, Und all der holden Hügel, die dich Wanderer! Kennen, ist keiner fremd mir…“

Hölderins Landschaft

Die Gegend um Nürtingen, in die er als Vierjähriger kam, prägte seine Texte wie wohl keine andere. Ganz in der Nähe von Hölderlins geliebten Fluss‘ erwarb sein Stiefvater Johann Christoph Gok, Weinhändler und später auch Bürgermeister von Nürtingen, für die Familie einen Garten. Friedrich Hölderlin kam am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar zur Welt und starb am 7. Juni 1843 im berühmten Turmzimmer des Hölderlinturms in Tübingen.

Lichtdurchflutete Wälder

Von der Brücke geht es nun leicht die Galgenbergstraße zur Schillerhöhe hinauf – bis zum Grillplatz unter einer Baumgruppe und weiter in den Bauernwald, geprägt von zahlreichen Abrutschungen der Rhätsandstein-Platten. Der Wanderweg verläuft jetzt talabwärts und über die Aich hinweg zum Ulrichstein. Das Naturdenkmal ist ein gleichfalls abgerutschter Rhätsandsteinblock. Über diesen ‚Winkel von Hardt‘ dichtete Hölderlin: „Hinunter sinket der Wald, Und Knospen ähnlich, hängen Einwärts die Blätter, denen Blüht unten auf ein Grund…….“

Knoblauchfahne und Blütenduft

Inzwischen hat die Sonne an Höhe und Kraft gewonnen, Schmetterlinge „spielen Fangen“ und Insekten summen. Buschwindröschen und die weißen Blüten vom Bärlauch säumen die Wegränder. Der knoblauchartige Geruch von Letzterem übertrumpft immer wieder die süßlich duftenden Schlehenblüten. In einer leichten Rechtskurve biegt der Weg ab und steigt an bis nach Hardt. Auf dem Hofweg und der Pfeifer-Straße geht es durch den Ort.

Landschaftskino „Schwäbisches Hanami“

Am Ortsende überqueren die Wanderer die L1205 und kommen an der Sammlung Domnick, die auch auf dem Museumsradweg liegt, vorbei. Der Nervenarzt Ottomar Domnick war ein engagierter Kunstsammler und Publizist. Die Blicke über den Zaun geben einen Eindruck von den abstrakten Werken im weitläufigen Garten. Nur wenige Schritte entfernt, unter der ‚Alten Linde‘, laden Holzliegen zum Landschaftskino ein: Bis zum Horizont schweift der Blick über die sanft geschwungen Höhen der Schwäbischen Alb, die im Gegenlicht der immer höher steigenden Sonne zu verschwimmen scheinen. Hier stehen die Streuobstwiesen in voller Blüte und bilden die Kulisse des „Schwäbischen Hanami“. Hanami (japanisch: Blüten betrachten) ist die japanische Tradition, im Frühjahr mit sogenannten „Kirschblütenfesten“ die Schönheit der blühenden Kirschbäume zu feiern.

Ein Blütenmeer

Ein schmaler Hohlweg führt nach Oberensingen und zu den Aichterrassen. Am Ortsende verweist ein Schild auf die Villa Rustica, einen römischen Gutshof, der rund 100 nach Christus angelegt wurde. Der Frühling lässt das Leben in den Streuobstwiesen und Gärten oberhalb von Oberesnsingen explodieren. Man weiß nicht, wohin man zuerst schauen soll?

 

Vielleicht hat Hölderlin genau auch einmal hier gestanden, den Blick hin und her schwenkend zwischen Natur und Heimatstadt. Vielleicht kamen dem schwäbischen Dichter genau hier die Gedichtzeilen in den Sinn von ‚Heimkunft‘: „….Heimzugehn, wo bekannt blühende Wege mir sind, Dort zu besuchen das Land und die schönen Tale des Neckars…..“ Denn immer wieder kehrte der als Hauslehrer arbeitende Dichter nach Nürtingen zurück. Bis er nach einem Zwangsaufenthalt, zur Behandlung seiner psychischen Manien, im Tübinger Klinikum schließlich die zweite Lebenshälfte im Turm in Tübingen verbrachte. Mit der wärmenden Sonne im Rücken geht es über den Galgenbergpark zurück zum Ausgangspunkt.

Mehr Info

Hölderlins Gedichte:

 - Der Neckar, Nürtingen, September 1795

 - Der Winkel von Hardt, Nürtingen, Januar 1804

 - Heimkunft, Nürtingen, 1801

 

Hölderlins Landschaft:

Zum Rundweg gibt es einen Flyer unter

http://www.hoelderlin-nuertingen.de/dateien/wanderfuehrer-hoelderlin.pdf

 

Mehr über Nürtingen - Zeitreise mit der App:

https://www.nuertingen.de/de/nuertingen-fuer-alle/stadt-nuertingen/nuertingen-virtuell/zeitreise-per-smartphone

 

 

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