Die weite Welt ist unerreichbar. Was macht eine Reisejournalistin in Corona-Zeiten? Eine virtuelle Wanderung auf dem Lechweg.
Geschlossene Grenzen, eingeschränkter Tourismus – ich sitze Zuhause und schreibe über vergangene Erlebnisse. Die Einladung zur virtuellen Wanderung auf dem Lechweg von Österreich Werbung kommt da wie gerufen. Um zehn Uhr geht es los, einloggen und ab nach Lech zu Fabienne Kienreich und Markus Hahn, Experten, wenn es um den Tourismus in Vorarlberg geht. Leider sind die beiden auf dem Monitor nirgends zu sehen. Dafür kann man die Teilnehmer beobachten, die ihre Kamera eingeschaltet haben – auch interessant.
125 Kilometer am Lech entlang
„Der Fernwanderweg ist 125 Kilometer lang – von der Quelle bis zum Fall“, erklärt Markus Hahn gerade. Eine Woche solle man mindestens einplanen, vielleicht auch einen Tag mehr. Denn im Wanderdorf Lech kommt auch der Genuss nicht zu kurz. Klingt verheißungsvoll. Für den heutigen Ausflug ist allerdings gerade einmal eine Stunde vorgesehen, ohne kulinarische Höhenflüge. Zwar fehlt der visuelle Eindruck immer noch, aber die Vögel zwitschern munter aus dem Mikrophon. Hört man da nicht auch ein Rauschen? Im Kopfkino tauchen Bilder vom letzten Bergurlaub auf. Das eiskalte Wasser des kleinen Gebirgsbachs, den ich vor mir sehe, umspielt wieder meine Fußknöchel. Fast kann ich das Kribbeln in den Füssen spüren. Auch das Hochgefühl beim Erreichen des Ziels kann ich plötzlich einblenden. Aber zurück zum Lechweg, der von Vorarlberg bis nach Füssen in Deutschland verläuft. „Das Besondere ist, dass es immer entlang des Flusses geht und nicht von Gipfel zu Gipfel“, erzählt der Touristiker gerade. „Die Höhenmeter halten sich in Grenzen.“ Daher ist die Strecke, die 2011 eröffnet wurde, auch für Einsteiger und Kinder geeignet und sogar für Menschen mit Knieproblemen. „Die schönste Stelle kommt gleich auf der ersten Etappe. Die Holzstege direkt am Zusammenfluss von Formarinbach und Spullerbach, wo der Lech als kleiner Bach geboren wird. Dieser Ort erinnert an eine kanadische Landschaft“, schwärmt Hahn. Klingt toll, aber wo bleibt das Bild dazu?
Schönste Platz in Österreich: Formarinsee
Parallel google ich ‚Formarinsee und sehe ein tiefblaues Gewässer. Der See ist eingebettet in saftig grüne Bergwiesen und wird vom Formaletsch und der Roten Wand eingerahmt. Ich erfahre, dass sich das Gewässer jedes Jahr neu bildet - als Sammelbecken des Schmelzwassers. Meist ist der auf knapp 1800 Meter hoch gelegene See erst im Frühsommer zugänglich. Ähnlich idyllische Plätze fallen mir ein, die ich über die letzten Jahre besucht habe. Ein paar Bilder erscheinen vor meinem inneren Auge – Gipfelkreuze, Weitblicke und Pfade, die sich über schmale Grate winden. An den Formarinsee möchte ich unbedingt auch einmal und zwar nicht nur virtuell. Es drängt mich, das tiefe Blau des Wassers zu sehen und mit allen Sinnen zu erleben.
Wandern mit leichtem Gepäck
Da erscheinen Fabienne Kienreich und ihr Kollege auf meinem Monitor. Mit Sonnenbrillen und in schwarzen Shirts laufen sie durch Lech. „Gleich sind wir am Startpunkt der Mehrtageswanderung“, versprechen sie. Ein paar schmucke Häuser und die Kirche sind zu sehen, im Hintergrund eine Bergkulisse. Dann kommen eine Brücke und die Meldung: „Von hier geht es los.“ Wer gerne mit wenig Gepäck unterwegs ist, kann einen Transportservice buchen, der die Koffer von Unterkunft zu Unterkunft bringt.
Lebensspur Lech
Interessant klingt das Projekt ‚Lebensspur Lech‘, das für die Entwicklung eines naturbelassenen Gesundheitstourismus entlang des Lechs sorgt: „Der Wildfluss Lech verbindet nicht nur die Projekt-Partner in Österreich und Deutschland, er steht auch sinnbildlich für die Kraft der Natur, die heilende Wirkung auf stressgeplagte Menschen hat.“ Die erste Frage wird gestellt und zwar nach dem besten Zeitpunkt für die Wanderung. Markus Hahn antwortet: „Gleich Ende Juni, Anfang Juli ist die Strecke noch nicht so frequentiert. Da blühen auch die Blumen entlang der Strecke.“ Am 26. Juni starten wir in die Sommersaison“, fügt Fabienne Kienreich der Lech Zürs Tourismus GmbH hinzu. Das passt ja. In der Hauptsaison empfiehlt es sich, den Weg von Füssen nach Lech zu gehen, quasi gegen den Strom. Wer nicht so viel Zeit hat, kann die Etappen entsprechend reduzieren.
Tipps zum Rasten
Ein paar Tipps für schöne Rast- und Einkehrmöglichkeiten geben die beiden den Teilnehmern gleich noch mit auf den Weg, darunter die Freiburger Hütte, ganz in der Nähe des Formarinsees, und die Lechzeit, direkt am Weg gelegen im Naturpark Lechtal. „Wichtig ist, dass jeder seinen eigenen Rhythmus findet“, wissen die Protagonisten, die gerade von der Brücke ins Wasser schauen. Der stelle sich oft erst nach drei, vier Wandertagen ein. Auf dem Lechweg, der als Leading Quality Trails - Best of Europe" zertifiziert ist, stehen Naturerlebnisse und Entschleunigung im Vordergrund. Die letzten Bergtouren geistern durch meinen Kopf. Mit jedem Schritt verflüchtigten sich die Gedanken des Alltags mehr und mehr. Ich bekomme richtig Lust, mich auf den Weg zu machen. Hier am Bildschirm, in meinem Büro fehlt mir die Interaktion mit den Gegebenheiten und den Menschen vor Ort. Da tröstet auch Lechbier, Gin und Käse aus der Region nicht darüber hinweg, das man teilweise bestellen kann. Vielleicht hilft ja das nächste Traumziel der virtuellen Pressereise gegen mein Fernweh, das um elf Uhr beginnt. Dann geht es ins Montafon zum Biken und Klettern.
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Das Foto in diesem Blogbeitrag wurde coronabedingt ausnahmsweise nicht selber aufgenommen, sondern aus dem Pessedownload von www.lechweg.com übernommen.
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