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ROADTRIP MIT ABDUL - DURCH BERGE, WADIS UND WÜSTEN DES OMAN

Mit einem Einheimischen auf Entdeckungstour - ein kleines Abenteuer zwischen Märchen und Moderne, Familienanschluss inklusive.

„Chap chap. Die Sonne geht bald unter“, treibt Abdul, Reiseführer vom Individualreise Anbieter Evaneos, zur Eile an. ‚Chap chap‘ ist neben ‚Inshallah‘ (frei übersetzt, so Gott will) eines der Lieblingsworte des 52-Jährigen mit persischen und afrikanischen Wurzeln. Damit meint er, jetzt aber rasch. Tatsächlich gibt es im Oman so viel zu sehen, dass die Zeit allzu schnell verfliegt. Die letzten Strahlen der Sonne tauchen den Grand Canyon bereits in rötliches Licht. Der Blick in die Schlucht ist spektakulär. Rund 1000 Meter fallen die zerklüfteten Felsspalten in den darunter liegenden Wadi Nakhar ab – jetzt ein ausgedörrtes Flussbett – nach starkem Regen, ein reißender Fluss. Dahinter erhebt sich mit etwas über 3000 Metern der höchste Gipfel des Landes: Der Jabal Shams wird von den länger werdenden Schatten langsam verschluckt.

Wildes Campen ist im Oman überall erlaubt

Zwei Schmutzgeier, mit weißer Kopf- und Bauchpartie und schwarzen Flügeln, kreisen über der Szenerie. Die Aasfresser halten Ausschau nach verunglückten Ziegen, die in der kargen Gerölllandschaft nach Grün suchen. Eine besonders waghalsige steht gerade auf den unteren Zweigen einer dürren Akazie. Ein kühler Lufthauch erinnert an die verrinnenden Stunden. Es wird Zeit für das Camp in den Bergen. Wen die kühlen Temperaturen in der Nacht nicht abschrecken, der kann auch direkt am Rande der Schlucht ein Zelt aufschlagen – wildes campen ist im Oman erlaubt und sehr beliebt bei den Einheimischen. „Mit meiner Frau und den fünf Kindern gehe ich oft zelten. Uns gefällt es in der Wüste aber noch besser“, erzählt der Omani, der irgendwann verraten hat, dass es neben seiner Frau Sheila auch noch eine weitere Gattin gibt – aus Goa.

 

Auf den Fahrten zwischen den Stopps kommt Abdul ins Erzählen und schwärmt von Aisha, Fatima und Sara, die alle studieren und fleißiger sind als seine beiden Söhne. Dazwischen meldet sich ab und zu sein Handy - mit einem arabischen Rap, den er für die jüngeren Fahrgäste im Jeep auch immer mal wieder so laufen lässt. Am Telefon ist gerade seine erste Frau, die auf den Fisch Souk in der Hauptstadt Maskat zum Einkaufen möchte und Abduls Erlaubnis dazu einholt. Wenn Abdul mit ihr redet, gestikuliert er gerne mit den Händen, ab und zu lacht er herzlich, am liebsten über seine eigenen Worte. Während dessen werfen die Insassen erschreckte Blicke auf die Schotterpiste, die sich noch weiter den Berge hinaufwindet. Die Zelte und Hütten des Resorts liegen bei der Ankunft bereits im Dunkeln – die Nacht ist kalt und kurz.

Gräber ohne Namen

Früh am nächsten Morgen geht es weiter, also „chap chap“, vorbei am Wadi Ghul. Malerisch liegt das gleichnamige Bergdorf oberhalb des steinigen Grabens, der momentan mit dem Auto passierbar ist. Die kleinen Häuser aus Lehmziegeln schmiegen sich an den Hang, dazwischen stehen Palmen. „Schon lange wohnt dort niemand mehr. Die Menschen zieht es in die Stadt“, erklärt Abdul, der heute eine graue ‚dishdasha‘ trägt, das typische lange Gewand der Männer im Oman. Sein Kopf ist stets mit der ‚kuma‘ bedeckt, einer bestickten Mütze. Er weist auf kleine Hügel neben der Straße, die mit Steinen bedeckt sind und erklärt: „Das ist ein Friedhof.“ Er zeigt auf ein Grab mit zwei aufrechtstehenden Steinen an den Enden: „Dort liegt ein Mann begraben.“ Frauengräber sind durch einen dritten Stein in der Mitte zu erkennen. Die Grabstelle wird so ausgerichtet, dass der Verstorbene auf der rechten Seite liegt und sein Gesicht nach Mekka zeigt. „Wenn jemand stirbt, schauen wir nicht zurück.“ So sind auch keine Namen auf den einzelnen Hügeln zu erkennen, die auf dem Gräberfeld alle gleich aussehen.

 

Auch Ibra lässt der Fahrer links liegen, dort findet jeden Mittwochmorgen ein Frauen Souk statt. In Al Wasil hubt Abdul dann vor einer kleinen Ladenzeile. Während ein indischer Gastarbeiter Luft aus den Reifen lässt, das erleichtert das Fahren im Sand, gibt es für die Mitfahrer eine Runde Safran Tee, der angeblich glücklich macht. Auf jeden Fall besteht Suchtgefahr nach dem süßlich sämigen Getränk mit den roten Fädchen, zu dem es ab und zu eine omanische Süßigkeit gibt – aus Datteln, Zucker und Gewürzen. Kurz darauf liegt sie vor den Reisenden – die Sandwüste Wahiba, deren östliche Ausläufer bis an den Indischen Ozean reichen. Das Meer sichert mit dem morgendlichen Tau das ökologische Gleichgewicht der Wüste. Eine Düne nach der anderen erhebt sich bis zum Horizont, die Abdul langsam mit dem Wagen erklimmt. Auf dem Kamm gibt er Gas und verlangt seinem Four-Wheel Drives alles ab. Sand spritz nach allen Seiten als das Auto losschießt. Dann geht es steil nach unten. Der Jeep rutscht und schwimmt teilweise im Sand, bis der Untergrund wieder griffiger wird. ‚Dune dashing‘ ist ein bisschen wie Achterbahn fahren – nur ohne Spur. Allmählich lockern sich die verkrampften Finger der Mitfahrer von den Haltegriffen.

Die Wüste - Schönheit aber auch Müllhalde

Allzu schnell ist der Spaß vorbei und Abdul hält an. Unter den bloßen Füssen fühlt sich der Sand heiß an. Es ist gar nicht so einfach, die Hügel zu besteigen, die in den unterschiedlichsten Formationen vor einem liegen. Mal ist der Sand fest, dann wieder versinken die Füße bis zu den Knöcheln. Oben angekommen scheint der Blick über die Sandberge ins Unendliche zu schweifen. Außer vereinzelten Kamelen ist nicht viel Leben zu entdecken. Dennoch liegt neben dem geparkten Jeep eine Plastikflasche, nicht weit entfernt ein paar Tüten und Knochen sind um eine Feuerstelle verteilt. „Die Camper lassen alles liegen“, bedauert Abdul, der den Kopf schüttelt. „Hier ist keine Polizei, die wie sonst überall im Oman nach dem Rechten schaut“. Die Wüste vermüllt. Viele der Omanis, wie auch Touristen, hätten eine Wegwerfmentalität - aber leider keine Aufräumkultur. Sie müssten ihre Einstellung zur Umwelt ändern, sagt Abdul und schiebt ein "Inschallah" hinterher.

 

Überall ist im Oman der Spagat zu spüren - zwischen der Erhaltung der Traditionen und dem Aufschwung, der die Öffnung für Neues mit sich bringt. Abdul zeigt lieber noch ein paar Fotos seiner Töchter. Aisha, die älteste, schaut mit ihren mandelförmigen Augen neugierig in die Kamera. Sie hat ein paar Jahre in den USA studiert und blickt auch einer vielversprechenden Zukunft entgegen. „Jetzt braucht sie noch einen guten Job. Dann kommen die Männer von alleine“, weiß der Vater, dessen Erlaubnis sie vor jeder Unternehmung erbittet. Zum Wüsten Camp ist es nicht mehr weit. Vielleicht sind bis dahin auch die Wolken verschwunden“, meint der Omani. „Ein Sonnenuntergang in der Wüste ist etwas Besonderes.“ Quasi die Krönung des Tages im Sultanat, das laut eines UN Berichts im Ländervergleich seine soziale und wirtschaftliche Lage innerhalb der letzten 40 Jahre am stärksten verbessern konnte und indem überaus gastfreundliche Menschen leben. Die Zeit erlaubt noch für einen kurzen Stop bei einer Beduinenfamilie, die Abdul seit 20 Jahren besucht. Zu Begrüßung reicht die Nomadin ein kleines Tässchen Kaffee – aus dem es nach Kardamom duftet. Dann heißt es auch schon wieder: „ Chap, chap“ rein ins Auto und dem Sonnenuntergang entgegen.

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