· 

Ohne Watt kein Marsch

Im Sommer 2019 wurde der erste Wanderweg durch die Tonderner Marsch in Südjütland eröffnet. Der 54 Kilometer lange Pfad verläuft zwischen Watt, Wiesen und den dänischen Städtchen Hoyer (Højer), Tondern (Tønder) und Møgletønder.

„Man konnte immer schon durch Dänemarks größte Marschlandschaft im Nationalpark Vadehavet wandern. Nur wussten die Wanderer oft nicht wohin“, sagt Ulrik Pedersen von der Initiative Tonderner Marsch, mitverantwortlich fürs neue Wegenetz. Dank den rund 500 blauen Wegweisern verläuft sich in der einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft niemand mehr. Auch an der alten Schleuse vom Marschen Ort Hoyer schlängelt sich der Weg vorbei. Die Schleuse am Flüsschen Widau war einst der Zugang zum Meer und vor dem Bau des Hindenburgdamms 1927 legten hier die Schiffe auf die deutsche Insel Sylt ab. Heute liegt sie am Innendeich, mitten im Marschland. Auf den einstigen Wattflächen trotzten salzresistente Pflanzen dem Meer immer mehr Land ab – das Marschland wuchs.

Wandern in der Marsch ist gefragt

Pedersen freut sich über das große Interesse am neuen Marschensteig (Marskstien), der seit einigen Monaten begehbar und quasi in der Testphase ist und erklärt: „Nach der schweren Sturmflut 1976, bei der viele Menschen evakuiert werden mussten, wurden der Außendeich und die Widauschleuse gebaut“. Er zeigt Richtung Meer zur neuen Schleuse, wo die Widau jetzt ins Meer mündet. Rund einen Kilometer ist es bis zum Außendeich. Der Pfad geht über die Wiese – immer entlang des Flusses. Auch sonst kommt der Marschensteig fast ganz ohne asphaltierte Stücke aus.

Für Vogelliebhaber gibt es viel zu sehen

Im Gras suchen Vögel nach Nahrung. Sie fliegen in riesigen Scharen zwischen Watt und Marsch hin und her – angepasst an Ebbe und Flut. Ein Höckerschwan, der Nationalvogel von Dänemark, brütet im Schutz des Röhrichts. Die Marsch ist von Süßwasser geprägt, da die Schleusen das Salzwasser abwehren. „Hier brüten neben viele anderen Arten Uferschnepfen, Kiebitze, Rotschenkel, Löffel- und Knäkenten“, weiß Marit Beckmann, die ihr Rektorat an den Nagel gehängt hat und nun in fünf Sprachen Touren zur Vogelbeobachtung anbietet. Sie führt die Vogelliebhaber auch über den Marschenweg. Wo das Schilf dichter wird, gibt es Rohrweihen, Rohrdommeln, Bartmeisen und an einzelnen Stellen die seltene Trauerseeschwalbe.

Auch Nonnengänse machen hier Halt

Immer wieder hört man die lauten ‚Quiéwiehps‘ des Austernfischers. Der schwarze Brachvogel mit der weißen Unterseite und dem langen, roten Schnabel frisst Muscheln, Würmer und Krebse. Die Schalen der eingewanderten pazifischen Auster sind für seinen Schnabel allerdings zu hart. Mit dem Fernglas lassen sich große Gruppen von Weißwangengänsen beobachten, die wegen ihrer weißen Gesichter auch Nonnengänse genannt werden. Im Mai sammeln sie sich in der Marsch und ziehen in Schwärmen von bis zu 50000 Tieren in Richtung Russland. Zuvor stärken sie ich besonders gerne auf Wintergetreide, das um diese Jahreszeit viel nahrhafter ist als Gras. „Die Gans ist daher bei vielen Landwirten nicht gerne gesehen“, bedauert die Vogelexpertin.

Das Wattenmeer zählt zum UNESCO Weltkulturerbe

Inzwischen haben die Wanderer die neue Schleuse erreicht. Auf dem rund acht Meter hohen Deich weht ein kräftiger Wind. Wer von hier oben auf die Landseite blickt, blickt auf die schier unendliche grüne Weite der Tonderner Marsch gespickt mit großen und kleinen weißen Punkten, die sich bewegen. Die Schafe schützen die Grasflächen vor Verbuschung. Daher gibt es kaum Bäume und hohe Sträucher. In Richtung Watt hat ein Vogelbeobachter sein Spektiv aufgebaut und in der Ferne rollt der Autozug in Richtung Sylt über den Hindenburgdamm. Im nur wenigen Kilometer entfernten Deutschland, wurde das Wattenmeer bereits vor zehn Jahren zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt - der dänische Teil kam erst 2014 dazu.

 

Das Wattenmeer von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark ist das weltweit größte zusammenhängende Gezeitensystem. Die Wattflächen, die zweimal am Tag trockengelegt werden, bieten Nahrung für Millionen von Vögeln und in jedem Quadratmeter sind bis zu 100000 Krustentiere, Würmer, Schnecken und Muscheln zu finden. Das Wattenmeer ist bis heute weitgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten.

Immer wieder gibt es Sturmfluten

Neben der Schleuse steht ein Baumstumpf mit Jahreszahlen aus Metall. „Das ist eine Sturmflutsäule. Die Zahlen zeigen die größten Sturmfluten“, erklärt Marit Beckmann. Bevor die Deiche erbaut wurden, waren die Menschen den immer wiederkehrenden Sturmfluten ausgeliefert, verursacht durch Wind und dem jeweiligen Gezeitenstand. Jetzt geht es auf dem Wanderweg über den Deich in Richtung Hoyer, wo man rasten oder aber auch übernachten kann. Der idyllische Marschort mit den vielen alten Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist für seine Kunsthandwerker und südjütländischen Würste bekannt. Aus der Ferne sind die Windmühlen der holländischen Mühle von 1857 zu sehen, die mit 22 Meter Höhe zu den größten in Nordeuropa zählt.

Kultur im Park

Mehr Kultur gibt es acht Kilometer entfernt. Dort liegt Schloss und Park Schackenborg in Møgletønder – Sommerresidenz von Prinz Joachim von Dänemark. Entlang der kopfsteingepflasterten Schlossallee reihen sich gepflegte Backsteinhäuser aneinander. Als beliebte Hochzeitsgemeinde für Dänen wie auch Touristen gilt Tondern, das ebenfalls von den Wanderern passiert wir und m Jahr 1243 als erster Ort in Dänemark das Stadtrecht erhielt. Die prachtvollen Häuser zeugen vom einstigen Reichtum der Stadt. Eines der am besten erhaltenen ist Drøhses Hus von 1672, das wechselnde Ausstellungen vor allem zu Klöppelarbeiten und Stoffen zeigt. Im Kunstmuseum in Tondern gibt es neben nordischer Kunst die Stühle des des berühmten Möbelarchitekten Hans J. Wegner zu sehen, die er seiner Geburtsstadt schenkte.

 

„Es gibt neben der wilden Natur so viele kulturelle Highlights auf dem Marschensteig“, sagt Ulrik Pedersen und empfiehlt mindestens drei Tage für den ganzen Weg einzuplanen.

Mehr Info

  • Unterkunft: Appartements auf dem am Deich gelegenen Bauernhof Hohenwarte bei Hoyer http://hohenwarte.dk/en; Im Rudbøl Graenskekro in Rutebüll (Rudbøl), wo die Grenze teilweise mitten auf der Hauptstraße verläuft https://rudbol.dk/
  • Essen und Trinken: Im Reethaus in Daler gibt es dänische Menüs, Per Nielsen hat sein Restaurant 2017 eröffnet und bietet lediglich ein Gericht in mehreren Gängen pro Abend von donnerstags bis sonntags an: https://www.facebook.com/KalgoDaler/; Wöchentliche Kaffeetafeln - dänische Kuchenbüfetts aus der Zeit des Freiheitskampfes - gibt es in FruensVilje in Hoyer, www.fruensvilje.eu/Deutsch.html

Kommentar schreiben

Kommentare: 0